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Zur Geschichte der Küstenbatterie Nr. 35 („Maxim Gorki II")

Dimitrij Stognij

„ … Auf die durchkommenden Fahrzeuge schoss der Russe, wie man auf Wild schiesst, das über eine Schneise wechselt. Die schweren Geschütze, mit denen er das tat, standen in zwei Panzertürmen. Die Panzertürme hiessen Maxim Gorki I und Maxim Gorki II. Viele unserer Leute erfuhren erst durch die mächtigen Detonationen, wer der grosse russische Dichter gewesen war. …"

(Peter Bamm: Die unsichtbare Flagge. München, 1957. Seite 110)

Die Planung der neuen Küstenbatterien

Die Erfahrungen aus dem russisch-japanischen Krieg 1904-1905 beim Kampf um die russische Festung und militärmaritime Basis Port Arthur zeigten, dass eine Seefestung auch zur Landseite hin eine derartige Ausdehnung besitzen musste, damit die Belagerungsartillerie des Gegners sie nicht mit ständigem Dauerbeschuss belegen konnte. Alle Kasemattbauten mussten aus Eisenbeton ausgeführt und gegen einschlagende Geschosse des grössten Kalibers sicher geschützt sein. Die eigene artilleristische Bewaffnung musste zur Selbstverteidigung befähigt sein und über gute Ventilation und gute Wasser- und Energieversorgung verfügen.

Nach diesem Krieg waren in den Kriegs- und Marineministerien Russlands besondere Kommissionen gebildet worden, die die Operationen von Armee und Flotte untersuchten und in schriftlichen Darstellungen niederlegten. Auf Grund der dabei gewonnenen Resultate brachten sie Vorschläge ein, die die Basis für die Entscheidungen zur rekonstruktiven Umgestaltung und den weiteren Ausbau von Seefestungen des Reiches bildeten.

Der Zustand der grössten maritimen Befestigung Russlands am Schwarzen Meer, Sewastopol, galt nach dem Krieg mit Japan als offenkundig unbefriedigend. Die hauptsächlichen Mängel bestanden in der veralteten artilleristischen Ausstattung der Festung (in der Hauptsache 280 mm und 229 mm Geschütze, Modell 1877, mit einer Schussweite von 7 bis 12 Kilometern), die es einem Gegner erlaubte, sie aus grösserer Entfernung beschiessen zu können, ohne selbst gefährdet zu sein. Diese und andere Mängel bedeuteten eine kritische Situation. Die Verwaltung der Festung unterstand jedoch der Leitung des Landheeres. Alle Versuche der Marineleitung zur Veränderung dieser Situation, welche sie selbst geschaffen hatte (nach dem Krieg 1853-56 waren alle Seefestungen der Heeresleitung übergeben worden), führten nicht zum Erfolg.

Im Jahre 1908, nach lebhaften Erörterungen von Plänen und Projekten zur Verstärkung der Festung, wurde der Beschluss gefasst, die maritime Verteidigung der Festung auf elf Kilometer auszudehnen: nördlich der Stadt bis zur Mündung des Flusses Katscha und im Süden bis Balaklava. Hier sollten Batterien mit Geschützen moderner Konstruktion und grosser Reichweite mit Kalibern von 120, 152, 240 und 254 mm aufgestellt werden. Die Batterien wurden in Gruppen so zusammengefasst, dass jede von ihnen selbständig zur Führung des Kampf mit feindlichen Schiffen imstande war, ohne diese jedoch so weit heranzulassen, dass sie Sewastopol beschiessen konnten.

Nach diesem Plan wurden in den Jahren von 1908 bis 1912 das Fort Streletzki (8 x 254 mm Geschütze), westlich der Strelezkaja-Bucht das Fort Chrulew (4 x 254 mm und 4 x 120 mm Geschütze) und südlich an der Mündung des Flusses Belbek eine Batterie mit vier Geschützen von 152 und 120 mm Kaliber erbaut. An der Küste zwischen Kap Chersones und Balaklawa wurde mit dem Bau einer Batterie mit 240 und 152 mm Geschützen begonnen.

Um diese Zeit wurde jedoch bei den Seestreitkräften der europäischen Mächte eine neue Klasse von Grosskampfschiffen – die Dreadnought-Klasse - in Dienst gestellt, die mit ihrer überlegenen Artillerie alle bisherigen Bemühungen der Festungsbauer zunichte machte, weil die Batterien von Sewastopol einem Beschuss mit den weitreichenden 305 mm Geschützen dieser modernen Schlachtschiffe nicht widerstehen konnten.

Im Jahre 1908 wurde in den Obuchowski-Werken in St. Petersburg mit der Produktion neuer Schiffsgeschütze mit einem Kaliber von 305 mm und einer Kaliberlänge von 52 begonnen, bestimmt zur Bewaffnung neuer russischer Schlachtschiffe. Da diese Geschütze gemäss ihrer technischen Auslegung (Geschossgewicht 470.9 kg, Anfangsgeschwindigkeit 762 m/sec, Reichweite 28.6 km) als die zur Zeit stärksten in Russland erachtet wurden, entschied die oberste Artillerieleitung des Kriegsministeriums, sie auch in den neuen Küstenbatterien zu installieren. Und wenn in der Festung Kronstadt solche Geschütze sowohl in Panzertürmen als auch in offener Aufstellung vorgesehen waren, so wurden für Sewastopol die neuen 305 mm Küstenbatterien nur als Panzerturm-Typen geplant.

Der Errichtung der neuen Batterien gingen umfangreiche wissenschaftliche Untersuchungen sowie Arbeiten voran, welche Erfahrungen über die Konstruktion erbringen sollten. Mit dem Ziel der Erforschung von Beton- und Panzerkonstruktionen errichtete man im Jahre 1912 auf der Insel Beresan im Schwarzen Meer eine Festungsanlage, mit der die nötigen Erfahrungen gesammelt werden sollten. Sie bestand aus achtzehn Kasematten (darunter vier mit einer aus verschiedenen Schichten bestehenden Überdeckung, dreizehn aus kompakten Beton, stellenweise verstärkt durch Eisennetze, und einer weiteren mit einer flachen Abdeckung aus Doppel-T-Trägern) sowie zwei Panzertürmen (einer von den Cockrill-Werken mit zwei 150 mm Geschützen, der andere vom Werk St. Chamond mit zwei 75 mm Geschützen) und einem Panzerbeobachtungsstand. Die Erprobungen begannen, indem man aus diesen Türmen feuern liess. Nach den dadurch gewonnenen Erfahrungen bezüglich der Bewaffnung wurde das Bauwerk mit insgesamt 783 Granaten vom Kaliber zwischen 75 und 280 mm beschossen, ausserdem wurden 35 Sprengungen vorgenommen. Die auf der Insel Beresan gewonnenen Erkenntnisse ergaben reiches Material über die Wirkung von Artilleriegeschossen auf Beton und Eisenbeton und erlaubten, die Berechnungsformeln über den Wirkungseffekt solcher Granaten zu präzisieren. (Anmerkung des Hrsg.: Die Versuche auf der Insel Beresan sind in der westlichen Literatur als die „Schiessversuche von Otschakow" bekannt.)

Gemäss dem ersten Projekt, an dem der bekannte russische Festungsingenieur General Zesar Kjui mitwirkte, wurde für Sewastopol der Bau von zwei Küstenbatterien mit je zwei Doppeltürmen geplant: Nr. 25 (auf Chersones) und Nr. 26 (an der Mündung des Flusses Belbek). Später wurde entschieden, noch eine weitere Turmbatterie zu bauen (auf den Karanski-Höhen nördlich Balaklawa), aber dieses Projekt verblieb nur auf dem Papier. Mit der Errichtung der beiden erstgenannten Batterien dagegen wurde im Jahre 1912 begonnen.

Der Bau der Batterie Nr. 35

Am 24. Mai 1912 wurde zwischen der Hauptartillerieleitung des Kriegsministeriums und den Metallwerken St. Petersburg ein Kontrakt abgeschlossen, der die Metallwerke zur Herstellung, Ablieferung und Montage an Ort und Stelle von sechs Doppel-Geschütztürmen, einschliesslich des gesamten Turm-Systems, mit zwölf-zölligen Küstengeschützen, Kaliberlänge 52, zum Preise von 503'100 Rubel verpflichtete. Die ersten vier Aufstellungen waren für Kronstadt bestimmt, die beiden anderen für die Festung Sewastopol. Im gleichen Jahr wurden, ebenfalls für Sewastopol, noch zwei weitere Türme bei den Obuchowskower Werken bestellt.

Bis 1914 wurde am Aufbau der Geschütztürme in Sewastopol zügig gearbeitet, dann allerdings traten mit Beginn des Ersten Weltkriegs eine Reihe von Verzögerungen ein, und 1917 wurde infolge der revolutionären Ereignisse der Aufbau ganz eingestellt. Zu dieser Zeit waren von der Küstenbatterie Nr. 25 die Fundamente und Wände des Artillerieblockes fertiggestellt und teilweise zum Schutz gegen Witterungseinflüsse mit einer Lage Stahlschwellen Nr. 30 abgedeckt, darüber eine Schicht Asphaltbeton. Bei der Batterie Nr. 26 waren nur die Baugrube und das teilweise ausgeführte Fundament des Turmblockes vorhanden. In diesem Zustand verblieben beide Batterien bis Mitte der zwanziger Jahre, dann wurde gemäss einem Beschluss der Regierung der UdSSR die Rekonstruktion und Wiederbewaffnung der Befestigungen von Sewastopol begonnen.

Als erstes wurde beschlossen, die Batterie Nr. 25 am Kap Chersones fertigzustellen. Dieses Projekt war mit der Absicht verbunden, die Artillerie, die Einrichtungen der Feuerleitung und weitere technische Mittel zu entwickeln. Die Arbeiten unterstanden einer Projektgruppe der Ingenieurverwaltung der Seestreitkräfte des Schwarzen und Asowschen Meeres mit dem Militäringenieur Boris Sokolow an der Spitze mit Heranziehung des Leiters des Ingenieurstabes der Küstenverteidigung des Schwarzen und Asowschen Meeres, dem früheren zaristischen General Boris Butler. An den Projektierungen hat auch der russische Festungsbauer Nikolai Ungerman, Spezialist für Panzerturmbauten, teilgenommen.

Im Hinblick auf die operativen und taktischen Aufgaben von Batterien war bei der Projektierung vorzusehen:

Die kompliziertesten Fragen bei der Projektierung und beim Erbauen waren:

  1. Die Errichtung von Kommandopunkten des Batteriekommandeurs und der Feuerleitung der Turmartillerie und ihre Verbindung durch unterirdische Poternen mit dem zentralen Posten und den Türmen im Hauptblock in der Batterie
  2. Verteidigung der Kehlseite der Batterie und ihres Einganges unter Berücksichtigung der Möglichkeit von schräg darauf gezieltem Feuer der feindlichen Schiffsartillerie von 406 mm sowie von Treffern von Fliegerbomben bis zu zwei Tonnen Gewicht an der Wandsohle
  3. Funkzentrale mit Sende- und Empfangsstationen und geschützten Antennen
  4. Voller Gasschutz der inneren Räume und Panzertürme
  5. Qualitativ einwandfreie Süsswasserversorgung der Sanitätsstation, der Küchen, der Kochkessel für die Mahlzeiten und zur Kühlung der Dieselmotoren
  6. Zwischendecken für die vielfältigen technischen und Kommunikationsnetze unter Berücksichtigung der Notwendigkeit, dass diese durch zahlreiche hermetische Trennwände, Deckungen und Panzertüren gekreuzt werden und gegen Betonabplatzungen zu schützen sind
  7. Einrichtungen zum Schutz der Kessel- und Dieselauspuffanlagen, den Öffnungen für Ventilation und Kanalisation, für Wasserversorgung und für die Beschickung mit festen und flüssigen Brennstoffen vor Geschoss- und Bombentreffern
  8. Mechanisierung der Munitionsförderung aus dem vorhandenen Kampfvorrat in den unteren Räumen
  9. Mechanisierung der Geschützrohrreinigung nach dem Schiessen
  10. Vollwertige Verteidigung gegen Luft- und Landstreitkräfte im Umfeld mit dem eigenen Personal der Batterie unter gleichzeitiger Beibehaltung der Kampfführung gegen die übrigen Waffen des Gegners.

Zwischen der Artillerieverwaltung der Roten Armee und dem Leningrader Maschinenbautrust wurde am 24. August 1925 ein Vertrag „zur Vollendung des Baues der Batterie Nr. 8 (vormals Nr. 25) der Festung Sewastopol" geschlossen, in welchem stand:

„ … Der Maschinenbautrust verpflichtet sich zur Erfüllung und die Artillerieverwaltung zur Abnahme folgender Arbeiten:

Nach den geltenden technischen Bestimmungen der Ingenieurhauptverwaltung der Roten Armee über massive Betonbauten von Batterien mit starrer innerer Armierung und flexibel abfedernden äusseren Schichten wurden Überdeckung und Wände in hartem Stampfbeton geschüttet in einer Mischung von 1:1.5:3 in Schichten von 15 bis 18 Zentimetern. Die Unterbrechung zwischen den Schüttungen betrug höchstens 20 Minuten. Die Zuführung des Betons erfolgte mit Loren, Schubkarren, Tragen und mit kurzen Transportbändern. Der Beton in der starren Verschalung wurde durch Handstampfen verdichtet. Die Betonfabrik bestand aus zwölf Haupt- und vier Reserve-Betonmischern „Smit" und vier „Eger" mit einer Produktivität von 6'600 m3 Beton in 24 Stunden. An der Betonierung eines Hauptblockes arbeiteten ununterbrochen ca. fünf Tage lang (5 x 24 Stunden) 800 Arbeiter, 400 Pioniere, 200 Mann des Personals der Batterie, 400 Mann der 6. Artillerie-Brigade und 1'200 Mann der Lehrtruppen der Marine des Schwarzen Meeres.

Der Bau unterirdischer Poternen im Kalksteinfels wurde mit kleinen Sprengungen und Bohrmaschinen vorgenommen. Zur Beschleunigung der Arbeiten wurden diese gleichzeitig von beiden Seiten jeder Poterne her begonnen.

Die Turmmontage wurde von Arbeitern der Leningrader Metallwerke unter Leitung von Militäringenieuren durchgeführt, verantwortlich für den Aufbau der Türme G. Kolokolzew, für die Durchführung der Arbeiten B. Rusenow und als Leiter des südlichen Bezirks der Panzerfestungen W. Atol. Zur Auffüllung des Personals der Batterien kamen im Juni 1926 aus Leningrad 400 Matrosen und Kommandeure des Linienschiffes Marat (früher Petropawlowsk) nach Sewastopol.

Die Turmbatterie auf Kap Chersones, die zu dieser Zeit eine neue Nummer erhielt - Nr. 35 -, kam im Herbst 1929 zum Bau. Ihr erster Kommandeur wurde Genrich Steinberg.

Die Batterie war mit vier 305 mm Geschützen in Zwillingstürmen ausgestattet und stellte sich damit als die am stärksten bewaffnete der Küstenverteidigung am Schwarzen Meer dieser Zeit dar. Die beiden Türme standen in linear überhöhender Stellung zueinander (der zweite Turm stand von der Küste weiter entfernt und etwas höher als der andere), was die Möglichkeit bot, das Feuer auf Seeziele mit kleineren Winkelerhöhungen zu führen (die Türme verdeckten einander nicht). Jeder Turm mit einem Gewicht von ca. 1'000 Tonnen bestand in der Vertikalen aus drei Abschnitten, dem Kampfraum mit den Geschützen, Zielvorrichtungen und den Mechanismen für den Ladevorgang, dem Arbeitsraum mit den Höhen- und Seitenrichtmaschinen und den Umlade- und Aufzugseinrichtungen zur Förderung der Granaten und Kartuschen an die Geschütze, wo Mannschaften zum Umladen der aus den unterirdischen Magazine herangeführten Munition vornahmen. Die Höhe des Turmes vom unteren Punkt, mit welchem er sich auf das Betonfundament stützte, bis zur Panzerdecke des Kampfraumes, belief sich auf 9.6 Meter, jedoch überragte er den Betonblock der Batterie nur um 2.1 Meter. Der Durchmesser des Turmes in Höhe des drehbaren Panzeraufsatzes lag bei 11.3 Meter, der Durchmesser des horizontalen Kugellagerkranzes bei 9.18 Meter.

Im Kampfraum des Turmes, kreuz- und quergeteilt durch Panzerschottwände, waren zwei 305 mm Geschütze, Kaliberlänge 52, mit einem Gewicht von mehr als fünfzig Tonnen eingebaut. Die Geschützrohre ruhten auf Lafetten von 2.5 Meter Höhe und ca. zehn Meter Länge, die mit der Plattform des Kampfraumes vernietet waren und zur dreihundert Tonnen schweren Masse des drehbaren Teils des Turmes beitrugen. In der vertikalen Panzerwand, 305 mm stark und aus zwölf gebogenen Tafeln von 2.5 Meter Länge bestehend, die miteinander schwalbenschwanzartig verbunden waren, waren für die Geschützrohre zwei Schiessscharten eingearbeitet, abgedeckt durch mitschwingende Panzerschilde und segeltuchartige Überzügen gegen chemische Kampfstoffe. Die Panzerturmdecke, 203 mm stark, gebildet aus sechs Tafeln auf eisernen Winkeln und Balkenrahmen, besass zwei Öffnungen für Periskop-Zielfernrohre und Visiere des Turmkommandanten, die von oben mit gepanzerten Kappen abgedeckt waren.

Der Turm ruhte auf massivem Beton, zur Bewegung befähigt durch einen horizontalen Kugellager- und einen seitlichen Rollenlagerkranz, darunter ein starrer Stahlkranz, der ebenso wie im beweglichen Teil zum Durchführen der Elektrokabel und der Rohrleitungen genutzt wurde.

Jedes Geschütz verfügte über ein „System für automatischen Ladevorgang", welches von den Metallwerken erarbeitet worden war, das aber zu jenem Zeitpunkt nur bei einer Rohrerhöhung bis höchstens 15 Grad arbeitete, ferner über Aufzüge zum Antransport der Granaten und Kartuschen aus der Umladestation in den Kampfraum.

Zur Entgegenname der Munition aus den Munitionsräumen und zur Beschickung der Aufzüge bei jeder beliebigen Seitenrichtstellung des Turmes befand sich in der Übergabestation eine zentrale bewegliche Plattform (ein Übergabetisch).

Die Seitenrichtung des Turmes, die Höhenrichtung der Geschütze, das Öffnen und Schliessen der Verschlüsse und der Munitionstransport mit den Aufzügen bis zu den Ladeschalen u.s.w. erfolgten durch Elektroantrieb mittels ständig vorhandenem Strom, der universal-hydraulischen Geschwindigkeits-Regulierungsanlage „Jenny" und einem manuellen Reservegetriebe.

Die Höhenrichtung konnte für jedes Geschütz einzeln oder für beide gemeinsam vorgenommen werden. In dem Mechanismus zur Seitenrichtung des Turmes war eine Reibungsmuffe vorhanden, welche die Schussabgabe erlaubte, ohne zuvor die Drehbewegung des Turmes zu stoppen (beim Feuer aus nur einem Geschütz betrug die Verwindung des Turmes höchstens einen Winkel von fünf Grad).

Das Ausblasen der Geschützrohre erfolgte nach jedem Schuss automatisch mittels Pressluft, auch die Rohrwischer wurden pneumatisch betätigt.

Zum Schutz der Räume unterhalb des drehbaren, gepanzerten Teils war deren Betonschacht mit einer starren Überdeckung von 305 mm Stärke bewehrt.

Für die Montage der Türme und Geschütze für den Fall, dass ein ausgeschossenes Rohr (jedes von ihnen war auf 200 Schuss berechnet) aus dem planmässig vorhandenen Reservebestand ersetzt werden musste, war ein auf Eisenbahnschienen laufender Bockkran mit vier Laufkatzen und einer Lasthebekapazität von 150 Tonnen vorhanden. Er befand sich in einem speziellen Schutzraum im Fels nicht weit von der Kasatschei-Bucht.

Jeder Turm befand sich in einem eigenen einzelnen Eisenbetonblock und verfügte über je zwei Granat- und Kartuschmagazine von zwanzig Meter Länge und 4.5 Meter Breite. Diese Räume besassen Stellagen zur Aufbewahrung der Granaten und Kartuschen (letztere befanden sich in hermetisch verschlossenen Stahlbehältern), mengenmässig der Berechnung von Schuss je Rohr entsprechend. Sie verfügten über eine Löschwasseranlage und eine selbstschreibende Temperatur- und Luftfeuchtigkeitskontrolle. Für Anlieferung und Einlagerung in die Munitionsräume gab es ein spezielles mechanisiertes System, das auf folgende Weise wirkte: Die Granaten und Kartuschen wurden mit Lastkähnen zur Batterie-Anlegestelle in der Kasatschei-Bucht (ca. 1.5 km vom Batterieblock entfernt) gebracht, auf Lastkraftwagen umgeladen und zum Eingang der Batterie gebracht. Hier wurde jede Granate und Kartusche mittels kleiner schmalspuriger Loren an das einspurige, an der Decke befestigte Transportsystem innerhalb der Batterie übergeben und zu den Luken der Munitionsräume, die der Entgegennahme dienten, befördert. Zur Überführung der Munition in die Umladeabteilung der Türme wurden Schmalspurloren und Kräne verwendet.

Ausser den Munitions- und Umladeräumen befanden sich in jedem Turmblock der Batterie zahlreiche weitere Räume (Wohn- und Unterkunftsräume, Sanitäranlagen, Ventilationsräume usw.) in zwei Etagen. Im Block des zweiten Turmes befand sich ferner die zentrale Elektrostation für Kraft- und Lichtstrom mit Dieselgeneratoren, Stromumwandlern, Transformatoren, einer alkalischen Akkumulatoren-Batterie der schwedischen Firma Jungner usw., der Kesselraum (drei Dampfkessel System „Schuchow"), der Raum für die Kompressoren und die Druckbehälter für die Pressluft, die Räume für die Vorräte an Brennstoffen, Wasser und Schmierölen, eine komplett ausgestattete mechanische Werkstatt mit unentbehrlichen Werkbänken, ein zentraler Stand mit Geräten für die Feuerlenkung, die medizinische Station mit Operationsraum und Lazarett sowie die Messe und die Unterkünfte des Kommandopersonals der Batterie.

Ein rechteckig gestalteter Zugang in den Kasemattblock des zweiten Turmes stellte den Haupteingang in die Blöcke der Batterie dar. Er war geschützt durch eine Eisenbetonwand, hermetisch schliessende Panzertüren und besass eine Gasschleuse mit Sanitätsdurchlass. Der Block des ersten Turmes verfügte über keinen besonderen Eingang, sondern war mit dem Block des zweiten Turmes durch eine geneigte Poterne verbunden, an welche auch die Räume der Nachrichtenverbindungszentrale der Batterie angegliedert waren und die über Funkstationen vom Typ „Buchta" (Kurzwelle), „Bris" (Langwelle) und „Reid" (Ultrakurzwelle) verfügten. Als Notausgang aus Turmblock 1 konnte die Luftansaugegalerie mit ihrer Filter- und Ventilationsausstattung dienen, die von der unteren Etage des Blocks ausging und in der Steilküste am Meer mündete.

Für die Feuerleitung verfügte die Batterie über zwei Kommandostellen, die Hauptfeuerleitstelle (rechts) und die Reserveleitstelle (links), seitlich von den Geschütztürmen in einer Entfernung von 300 bis 500 Metern gelegen. Jeder Leitstand besass eine gepanzerte Turmhaube mit 406 mm Wandstärke und 305 mm Stärke der Turmhaubendecke, einen breiten Schacht mit sechsmetrigem Entfernungsmesser von Zeiss, Nachrichtenzentrale, autonome Elektrostation und eine Reihe anderer Räume in vier Etagen unter der Erdoberfläche. Mit den Artillerieblöcken waren die Feuerleitstellen durch Poternen verbunden, die in einer Tiefe von zwanzig Metern durch den Fels gesprengt waren. Die Poterne der am meisten gefährdeten Feuerleitstelle besass eine seitliche Abzweigung, die zur Steilküste des Ufers hin mündete und zugleich zum Hinausführen der Kanalisations- und Drainagerohre sowie als zusätzlicher Ausgang diente.

Die Kasematten der Batterie hatten hauptsächlich gewölbte Überdeckungen aus Monoguss-Eisenbeton, gestützt auf eine abplatzsichere Lage Stahlschwellen Nr. 30, durchgehend aneinandergelegt und entsprechend dem Gewölberadius gebogen. Eine solche Konstruktion, vorgeschlagen durch den Oberst Sawrimowitsch, bot meist effektiven Schutz vor abplatzenden Betonteilen von der Innenseite der Gewölbe bei Treffern von schweren Granaten oder Bomben. Ein Teil der Räume besass flache Decken mit einer abplatzsicheren Lage von stählernen Doppel-T-Trägern.

Der Schutz vor chemischen Angriffen im Inneren der Batterieräume war folgendermassen ausgeführt: die verseuchte Luft wurde von der Oberfläche durch geschützte Kopfplatten in ein System sich verbreiternder Zellen genommen, im System einer Kalorifen-Heizung erwärmt, zwangsweise durch eine Anlage von Ventilationsfiltern, bestehend aus 240 Filtern des Typs FP-360 mit einer summarischen Produktionskapazität von 86'400 m3/h, geschickt und mittels zentrifugaler Ventilatoren des Typs „Sirokko" durch ein System von Röhrleitungen in die Räume gegeben, um dort eine bestimmte Luftdichte zu erzeugen. Gemäss der Anforderung, keine verseuchte Luft durch die Drehöffnungen und Schiessscharten der Geschütztürme, aber auch durch die Sehschlitze der Kommandotürme zuzulassen, erfolgte hier der Luftwechsel sechzig Mal in der Stunde.

Die autonome Wasserversorgung der Batterie erfolgte durch einen Haupt- und einen zweiten Grundwasserbrunnen, die 3.5 km von der Batterie entfernt lagen (im Umfeld der Batterie war das Grundwasser stark versalzen). Das von geschützten Pumpstationen geförderte Wasser wurde in doppelt geführter Wasserleitung, die in tiefen Gräben verlegt und „weich" montiert war, in den Block von Turm 2 geleitet. Für das Wasserversorgungssystem der Munitionsräume und der Sanitäranlagen gab es unter dem Block einen kleinen Grundwasserbrunnen mit Meerwasser. Die Systeme zur Kühlung der Dieselmotoren und der Warmwasserheizung besassen einen geschlossenen Kreislauf. Für den Fall eines Ausfalles des Wasserversorgungssystems war unter dem Betonblock ein Reservoir mit einem Vorrat an Süsswasser angelegt.

Zur Verteidigung der Zugangswege zur Batterie über Land und zur Rundumverteidigung waren fünf Eisenbetonbunker mit einer Wand- und Deckenstärke bis zu 0.5 m errichtet und mit je drei schweren Maschinengewehren versehen. Zur Luftabwehr gab es Vierlings-Fla-MGs „M 4", die beweglich auf Lastkraftwagen montiert waren, sowie zwei ortsfeste Fla-MGs. Für das Übungsschiessen verfügte die Batterie über fünf 45 mm Geschütze „21 K".

Die Kämpfe um Sewastopol 1941-1942

Mit Beginn des Zweiten Weltkrieges wurde die Küstenbatterie Nr. 35 organisatorisch der 1. selbständigen Artilleriedivision der Küstenverteidigung der Hauptbasis der Schwarzmeerflotte unterstellt, ebenso wie die Turmgeschütz-Küstenbatterie Nr. 30 (4 x 305 mm) und die offene Küstenbatterie Nr. 10 (4 x 203 mm). Die Aufgabe der Division war der Kampf mit Grosskampfschiffen des Gegners: Schlachtschiffen und Kreuzern. Mit Beginn der Kampftätigkeit auf der Krim im November 1941 mussten die schweren Küstenbatterien allerdings ihre Geschütze gegen die feindlichen Landstreitkräfte richten.

Die ersten scharfen Schüsse im Kampf gab die Batterie Nr. 35 am 7. November 1941 ab. Um 14.15 Uhr gab der Kommandeur der 1. Selbstständigen Artilleriedivision der Küstenverteidigung, Kapitän Konstantin Radowski, dem Kommandeur, Kapitän Alexeij Leschtschenko, den Befehl, vordringende deutsche Infanterie und Kraftfahrzeuge etwa einen Kilometer nordöstlich des Vorwerkes Mekenzi zu beschiessen (es handelte sich um die Vorausabteilung der 50. Infanteriedivision, die in Richtung des Tales Kara-Koba vorging). Nach zehn Minuten eröffnete die Batterie das Feuer und belegte den im Befehl angegebenen Raum mit 41 Schuss. Nach sowjetischen Angaben verloren die Deutschen infolge dieses Beschusses bis zu 30 Kraftfahrzeuge und eine Batterie Artillerie.

Am 8. November eröffnete die Batterie erneut das Feuer auf den Raum des Vorwerkes Mekenzi, vernichtete nach sowjetischen Angaben eine Fernkampfbatterie und brachte drei Granatwerferbatterien der Deutschen zum Schweigen.

Am 9. November, um 14.20 Uhr, beschoss die Batterie Nr. 35 eine Bereitstellung deutscher Infanterie im Raum der Höhe 137.7. Nach sowjetischen Angaben zeigte das Resultat des Beschusses die Vernichtung von bis zu einem Bataillon der Infanterie. Am gleichen Tage wurde die Batterie zum ersten Mal von der deutschen Luftwaffe mit Bomben angegriffen.

Vom 13. November ab nahm die Batterie immer wieder, je nach den Erfolgen der Deutschen, den Feuerkampf gegen die 72. Infanteriedivision auf, die in Richtung Balaklawa vorrückte. Vom 7. November bis zum 16. Dezember 1941 hatte sie insgesamt 26 mal das Feuer eröffnet und dabei 210 Stück 305 mm Granaten verbraucht.

Da die Batterie Nr. 35 nunmehr in das Kampfgeschehen einbezogen war und sich entsprechende Verschleisserscheinungen an den Geschützrohren zeigten (ca. 85%), mussten bereits Ende November die beiden Geschütze von Turm 1 als nahezu unbrauchbar angesehen werden. Nach Abgabe von etwa dreihundert Schuss pro Rohr (bei einer vorausberechneten Norm von zweihundert) zeigten sich am Mündungsteil der Seelenrohre Rissbildungen und die Mantelrohre begannen sich aufzubauchen. Bei weiterer Feuerabgabe musste mit Rohrkrepierern gerechnet werden. Darum begann man am 5. Dezember 1941 damit, die Rohre auszutauschen. Da jedoch der Bockkran auseinandergenommen war und ausserdem der Austausch geheimgehalten werden sollte, wurden die Arbeiten ohne Einsatz des Kranes vorgenommen.

Von der Anlegestelle in der Kasatschei-Bucht, wo die Reserverohre lagerten, verlegte man Schienen bis zum Hauptweg, der rechtwinkling horizontal auf die Batterie zuführte. Auf die Schienen wurden Unterlagen aus Eichenholz aufgelegt und auf diese mit Hilfe von Winden die Ersatzrohre. Die Schienen hatte man mit einer Gleitschicht aus Fett versehen, und die Rohre wurden mit Traktoren auf den zum Turm führenden Hauptweg gezogen.

Auf dem Hauptweg befanden sich zwei Wagengestelle, die vom Bockkran der Batterie stammten und durch Trossen miteinander verbunden waren. Auf diese wurde das Rohr umgeladen und, mit dem Verschlussteil in Bewegungsrichtung, durch zwei Traktoren vom Typ „Stalinez" in ca. 17 Minuten zum Turm herangezogen.

Zuvor hatte man die beiden unbrauchbaren Rohre auf folgende Weise demontiert: Die vordere horizontale Panzerung (das Dach des Turmes) wurde angehoben und mit Hilfe von Winden und auf Gleitrollen zur Seite geschoben. Die vordere vertikale Panzerung wurde abgeklappt und ebenso zur Seite geschoben. Die Rohre wurden mit Winden um 250 mm angehoben und in spezielle Kastengestelle auf Eichenholz-Unterlagen abgesenkt. Traktoren zogen sie dann aus dem Turm heraus und schleppten sie zur Seite.

Die Ersatzrohre wurden auf den gleichen Gleitschienen und Unterlagen mit Hilfe von Flaschenzügen in den Turm hineingezogen und mittels Winden in die Rohrlager abgesenkt. Um die Arbeiten zu maskieren, hatte man den Turm mit einer zeltartigen Tarnung überdeckt.

Die Arbeiten des Rohrwechsels der Geschütze in Turm 1 waren am 10. Januar 1942 abgeschlossen.

Am 17. Dezember 1941 begann die deutsche 11. Armee mit dem ersten Sturmangriff auf Sewastopol. Im Laufe dieses Tages eröffnete die Batterie Nr. 35 fünfmal das Feuer mit Turm 2 und verbrauchte dabei 39 Granaten. Gegen 16.00 Uhr ereignete sich in der Batterie eine Katastrophe. Als nach dem neunten Schuss das linke Turmgeschütz geladen war, berührte der sich schliessende Verschluss vor der endgültigen Verriegelung die Abfeuervorrichtung, und es erfolgte ein vorzeitiger Abschuss. Der Verschluss wurde abgerissen, ein Feuerstrahl schoss in den Kampfraum des Turmes und verursachte einen starken Brand. Die Turmbesatzung versuchte, das Feuer zu bekämpfen, aber es entzündeten sich zwei Kartuschen in der Ladevorrichtung des rechten Geschützes und vier weitere in den Schächten beider Munitionsaufzüge. Es folgte eine Explosion, die so stark war, dass der nahezu 1'000 Tonnen schwere Turm in die Höhe sprang. Die Panzerwände wurden in einzelne Tafeln zerrissen und fielen herunter. Die Panzerdecke wurde ebenfalls zerrissen und nach allen Seiten auseinandergeschleudert, das 88 Tonnen schwere Mittelteil aber drehte sich in der Luft, fiel in den Turm zurück und zerschmetterte die Bodenstücke der Geschütze. Die gesamte Besatzung des Turmes (ca. 40 Mann) kam um. Der sofort reagierenden, technisch hochqualifizierten Mannschaft der Munitions- und Transporträume gelang es, das System der Berieselungsanlage in Gang zu setzen und die Feuerschutz-Schotte zur Umladeabteilung des Turmes zu schliessen, somit eine Explosion der Munitionsräume zu verhindern und die Batterie vor vollständiger Vernichtung zu bewahren.

Als Ursache für die Katastrophe stellte sich heraus, dass an dem pilzförmigen Zündstift der Abfeuervorrichtung ein glimmender Rest des Gewebebeutels, der die Kartuschladung umgibt, haften geblieben war. Dieser berührte beim Schliessen die neue Kartusche, die sich entzündete und den Schuss auslöste, bevor der Verschluss ganz geschlossen war.

Die Arbeiten zur Wiederherstellung des zerstörten Turmes unter gleichzeitigem Austausch der abgenutzten Geschützrohre begannen Mitte Januar 1942 und dauerten nur zwei Monate. Der Austausch der Rohre erfolgte nach dem gleichen Verfahren wie zuvor bei Turm 1. Das Besondere war hier jedoch, dass umfangreiche Reparaturarbeiten und eine dauerhafte Instandsetzung aller Mechanismen und Konstruktionen vorgenommen werden mussten. Wichtig waren davon die Instandsetzung des Drehkranzes, die Verkleidung des Drehzapfens, der Austausch des Lafettenschwanzes des linken Geschützes, die Begradigung der Kampfplattform, Wiederherstellung der drehbaren Panzerwände und -decke des Turmes, der Austausch der Rohrdurchführungen, Elektromotoren mit Anlassstationen und die Kabelführung. Zur Wiederherstellung des Turmes wurden die Produktionskräfte aller passenden, in Frage kommenden Unternehmen Sewastopols ausgenutzt: die Morskoi-Werke Nr. 201, das Artillerie-Instandsetzungswerk Nr. 1'127 und das Elektromechanische Unternehmen Nr. 5.

Im April 1942 war Turm 2 für ein Probeschiessen fertiggestellt, und so wurde die Batterie Nr. 35 wieder voll kampffähig.

Vom 20. Januar bis zum Mai 1942 eröffneten die Geschütze des Turms 1 insgesamt 23 mal das Feuer und verbrauchten dabei 140 Granaten. Einige Male geschah dies zum Schutz von in den Sewastopoler Hafen einlaufenden Kriegs- und Transportschiffen, welche Kriegsmaterial und anderen Nachschub heranbrachten. In dieser Zeit wurden auch Versuche vorgenommen, die 305 mm Geschütze zur Fliegerabwehr einzusetzen, indem mit Schrapnells auf deutsche Flugzeuge geschossen wurde.

Am 7. Juni 1942 begannen die Einheiten der deutschen 11. Armee die Operation Störfang, den zweiten Angriff auf die Festung Sewastopol. Nur am ersten Tag des Angriffs gab die Batterie Nr. 35 insgesamt vierzehn Schuss ab, davon elf gegen Infanterie und Panzer und drei gegen Feuerstellungen der Artillerie.

Am 9. Juni nahm die Batterie erneut zehnmal den Feuerkampf auf (siebenmal auf Infanterie und Panzer der deutschen 22. Infanteriedivision im Bereich des Kordons Mekenzi Nr. 1 und der Station Mekenzier Berge) und verbrauchte dabei 79 Granaten. Am 10. Juni feuerte die Batterie zehnmal bei einem Verbrauch von 72 Schuss. Am 11. Juni vernichtete die Batterie nach sowjetischen Angaben bei drei Feuerschlägen drei schwere Geschütze der Deutschen. Nach denselben Angaben wurden durch das Feuer der Batterie am 17. Juni (bei einem Verbrauch von 44 Granaten) zwei schwere Geschütze vernichtet, ein weiteres zum Schweigen gebracht und „eine grosse Menge" der Infanterie ausser Gefecht gesetzt, vom 23. bis 25. Zwei Kampfgruppen Infanterie und vom 26. bis 28. Juni eine deutsche schwere Batterie vernichtet.

Die schweren Verluste, die das Feuer der Batterie Nr. 35 verursachten, veranlassten das Oberkommando der 11. Armee, den Druck in diesem Abschnitt mit allen Kräften zu verstärken. Am 23. Juni flogen deutsche Sturzkampfbomber vom Typ Ju 87 einen schweren Luftangriff auf die Batterie. Infolge des Einschlags schwerer Bomben in unmittelbarer Nähe wurde das rechte Geschütz von Turm 1 beschädigt (es entstand ein Riss am Rohrlauf). Bei erneuter Feuereröffnung platzten bei beiden Geschützen die Seelenrohre und der Turm fiel endgültig aus. Die restliche Munition wurde nun von Hand in die Munitionsräume von Turm 2 transportiert. Im kritischsten Augenblick der Schlacht um Sewastopol war auf diese Weise die Feuerkraft der Batterie Nr. 35 um die Hälfte herabgesetzt.

In der Nacht zum 30. Juni 1942 wurde infolge des Durchbruchs der deutschen Streitkräfte zur Stadt die Kommandostelle des Sewastopoler Verteidigungsbezirks aus dem Stollen am westlichen Ufer der Südbucht in die Kasematten der Batterie Nr. 35 verlegt. Am 30. Juni um 09.50 Uhr sandte von hier aus der Oberkommandierende der Schwrzmeerflotte und des Verteidigungsbezirks, Vizeadmiral Filipp Oktjabrskij, an den Volkskommissar der Kriegsflotte in Moskau, Nikolai Kusnezow, ein Telegramm mit dem Bericht, dass es unmöglich sei, Sewastopol weiter zu halten, und mit der Bitte, das Kommandopersonal evakuieren zu dürfen. Um 19.30 Uhr begann in der Messe der Batterie die letzte Sitzung des Kriegsrates des Verteidigungsbezirks Sewastopol, bei dem entschieden wurde, dass das Kommandopersonal der Flotte und der Küstenarmee zum Kaukasus evakuiert werden sollten.

Nach der Sitzung rief Vizeadmiral Oktjabrskij den Kommandanten der Batterie zu sich und forderte einen Bericht über den Zustand derTürme. Kapitän Leschtschenko führte aus, dass nur die beiden Geschütze von Turm 2 in gutem Zustand erhalten geblieben seien, für welche jedoch nur noch sechs Schrapnells und ca. dreissig verwendbare Granaten (ohne Pulver) übrig sind. Nach Anhörung des Berichts befahl der Oberkommandierende der Flotte dem Kommandanten der Batterie, dass es nunmehr seine Hauptaufgabe sei, die Evakuierung zu decken, und ordnete an, die Geschosse dafür aufzusparen, nach dem Verschuss der letzten Granate jedoch die Batterie zu sprengen.

Ferner befahl Vizeadmiral Oktjabrskij, dass Kapitän Leschtschenko unter den Befehl des Kommandeurs der 109. Division der Küstenarmee, Generalmajor Pjotr Nowikow, dem verbleibenden Kommandeur des Verteidigungsbezirks Sewastopol, zu treten habe und die Batterie nur mit dessen Erlaubnis sprengen dürfe.

Um 01.30 Uhr verliessen die Oberkommandos der Schwarzmeerflotte und der Küstenarmee die Batterie Nr. 35 und begaben sich zu den auf sie wartenden Flugzeugen und Unterseebooten zur Evakuierung.

Der Endkampf um die Batterie Nr. 35

Bei Tagesanbruch des 1. Juli 1942 begannen die deutschen Streitkräfte mit dem Angriff auf den letzten verteidigten Bereich. Gegen 09.00 Uhr erlebte die Batterie Nr. 35 einen schweren Bombenangriff durch die deutsche Luftwaffe. Gleichzeitig eröffnete eine grosskalibrige deutsche Batterie das Feuer aus dem Raum der langen Jucharin-Schlucht. Mit zehn Granaten brachte die Besatzung Nr. 35 dieselbe zum Schweigen. In diesen Augenblicken schlugen im Bereich des Blocks von Turm 1 mehrere schwere Fliegerbomben ein.

Durch die Explosionen dieser Treffer wurden die Räume mit den Filteranlagen und der Notausgang aus dem Block zerstört und zugeschüttet.

Gegen 12.00 Uhr griffen deutsche Infanterie- und Panzerkräfte die Batterie Nr. 18 (4 x 152 mm Geschütze) auf Kap Fiolent an. Der Kommandant der Batterie, Leutnant Nikolai Dimitriew, meldete der Batterie Nr. 35, dass die Panzer des Gegners bis an die Batterie vorgedrungen seien und dieselbe unter schwerem Geschütz- und Maschinengewehrfeuer liege. Er habe keine Munition mehr und bat, dass Batterie Nr. 35 mit ihrem Feuer die feindlichen Panzer vertreiben und damit der Besatzung der Batterie Nr. 18 die Möglichkeit geben solle, die Geschütze zu sprengen und sich geordnet zurückzuziehen.

An die weiteren Ereignisse erinnert sich der Kommandant der Batterie Nr. 35, Kapitän Leschtschenko:

„Als ich die Visiereinrichtung auf die Batterie Nr. 18 drehte, sah ich mehrere deutsche Panzer, die dieselbe beschossen. Ich gebe das Kommando: ‘Feuerbereit machen! Auf die Tanks, entsprechende Granaten! Geschütze laden!' Unverständnis auf dem Gesicht des neben mir stehenden Matrosen-Telefonisten, aber er gibt den Befehl weiter, wie es notwendig ist. Im Turm wird er ausgeführt und die Ausführung rückgemeldet.

‘Zielgeräteeinstellung ..., Azimut ..., Abfeuerung auf ‘Salve' ..., Salve!' - und die Granaten flogen zu den deutschen Panzern hinüber. Ziel erfassen, eingabeln, Übergang zu Punktfeuer. Die Geschosse detonieren zwischen den Panzern, aber kein direkter Treffer. Aber jetzt, bei der sechsten Salve: Volltreffer in einem der Panzer, der wie ein Kartenhaus auseinanderfällt. Die übrigen zogen sich sofort in die Deckung der Geländefalten der Umgebung zurück. Die Batterie schickte ihnen noch einige Salven

hinterher und beendete dann das Feuer."

Gegen 15.00 Uhr wurde aus der zur Batterie Nr. 35 gehörenden Kasernenanlage, etwa 3.5 km südöstlich ihrer Position gelegen, telefonisch gemeldet, dass die deutsche Infanterie etwa in Kompaniestärke gegen die Kasernen vorging. Wohlwissend, dass dort nur zehn Matrosen zurückgeblieben waren, befahl Kapitän Leschtschenko, die Brunnenschächte und die unterirdische Saugpumpstation zu sprengen, alle Bauten in Brand zu setzen und sich zurückzuziehen.

Etwa um 16.00 Uhr begann die deutsche Infanterie sich in der Kamischowoi-Schlucht zu konzentrieren und den Angriff in Richtung Kasatschei-Bucht und Kap Chersones vorzubereiten.

„Ich begab mich vom rechten Kommandopunkt der Batterie hinüber zum linken, von dem aus man die Umgebung besser überblicken konnte. Der Artilleriebeschuss und das Bombardement aus der Luft hatten den ganzen Tag über nicht ausgesetzt, aber jetzt verstärkte es sich besonders. Es war klar, dass die Deutschen sich auf den Angriff vorbereiteten.

Um diese Zeit schossen unsere Maschinengewehre unter dem Befehl des Starschi-Sergeanten (Feldwebel) Jarigin einen deutschen Sturzkampfbomber vom Typ Ju 87 ab.

Gedeckt durch Artillerie und Luftwaffe ging die deutsche Infanterie gegen die Batterie vor. Die gesamte Besatzung, einschliesslich der unentbehrlichen Elektromechaniker und der drei Kommandanten aus Turm 2, befand sich in den Schützengräben der Rundumverteidigung.

Als die Deutschen sich auf etwa sechshundert Meter genähert hatten, eröffneten die Verteidiger der Batterie das Feuer aus Gewehren und Maschinengewehren. Aber das Feuer stoppte den Gegner nicht. Es schien, als ob ihm unser Feuer kaum Verluste beibrachte.

Ich sah, dass der Feind nicht in Deckung lag, sondern sich auf die Batterie zubewegte, und dachte, dass nunmehr der Zeitpunkt gekommen sei für unsere bisher unangetastete Reserve: die letzten sechs Schrapnell-Granaten. Ich lief hinüber zum Turm 2, hier befanden sich der Kommandant der Geschütze und zwei Soldaten. ‘Schrapnells anreichen! ... Zünder auf Kartätsche! ... Geschütze laden!' gab ich das Kommando und begab mich an die Steuerung des Seitenrichtfernrohrs. 'Geschütze fertig!' meldete Jakowlew. 'Rohrerhöhung Null! ... Abfeuerung auf ‘Salve'! ... Salve!' Der Rauch des Schusses und der Detonation des Geschosses verdeckten das Ziel. Als er sich verzogen hatte, sah ich keine Deutschen mehr, sie waren wie vom Winde verweht. Den Turm mehr nach links drehend feuerte ich noch einmal - mit dem gleichen Resultat. Um das Feuer fortzusetzen, suche ich die deutschen Ansammlungen. Plötzlich blitzte ein Feuer vor meinen Augen auf und ein starker Krach betäubte mich. Ich verlor die Besinnung.

Nach einer, eineinhalb Stunden kam ich wieder zum Bewusstsein, vollkommen zerschlagen. Der Treffer einer deutschen Granate hatte mich gegen die Panzerwand des Turmes geschleudert."

Um 23.30 Uhr brach eine Gruppe deutscher Maschinenpistolen-Schützen in das Gelände der Batterie Nr. 35 ein und zwar zwischen den Turmblöcken und dem rechten Leitstand, der dadurch abgeschnitten wurde. Der Kommandant der Batterie befahl der Besatzung des Leitstandes, alle Ausstattungen und Geräte für die Feuerleitung aus dem Bauwerk zu entfernen und durch die unterirdische Poterne in den Block von Turm 2 auszuweichen. Infolge des Munitionsmangels und des Fehlens eines ausgebauten Systems zur Rundumverteidigung war es nicht mehr möglich, die Lage im Batteriegelände wieder herzustellen.

„Unsere Lage hatte sich verschlechtert, unsere Verluste an Menschenleben waren schwer und die Deutschen konnten uns mit ihrer Masse erdrücken. Es war Zeit, die Batterie zu sprengen, damit sie nicht dem Feind in die Hände fiel."

Zur Sprengung der Batterie war alles rechtzeitig vorbereitet. Das Sprengkommando unter Führung des Hauptfeldwebels Munitionsversorgung, Starschi-Sergeant Pobywanetz, stand bereit, diese zu jeder passenden Zeit auszulösen.

Am 2. Juli um 00.37 Uhr wurde mit Genehmigung des Generalmajors Nowikow der Block von Turm 1 gesprengt. Danach wurde in den Diesel- und Elektrostationen alles Öl vergossen, die Kühlung abgestellt und alle Apparaturen der Nachrichtenverbindungen und der Feuerleitung, welche man ausgebaut hatte, mit Brecheisen und Schmiedehämmern zerschlagen und verstreut. Nachdem so die gesamte wertvolle Ausstattung der Batterie vernichtet war, erfolgte um 02.30 Uhr die Sprengung des Blocks von Turm 2.

Das war das Ende der letzten Küstenbatterie der Festung Sewastopol. Ihrem Kommandanten, zwei Offizieren und 32 Unteroffizieren und Matrosen gelang es, noch einen Kutter am Kap Chersones zu erreichen und sich nach Noworossijsk evakuieren zu lassen.

Allerdings hatten sich einzelne Gruppen sowjetischer Matrosen und Infanteristen in den halbzerstörten Kasematten der Batterie festgesetzt und führten den Widerstand noch einige Tage fort.

9. Juli 1942. Deutsche Einheiten begannen, zusammen mit italienischen Schnellbooten, mit der Säuberung des Geländes der Batterie Nr. 35 von den letzten Resten sowjetischer Truppen. Der italienische Kapitän dritten Ranges, Aldo Lenzi, der an der Operation teilnahm, trug an diesem Tag in sein Tagebuch ein:

„9. Juli, Fort ‘Gorki’. Wir werden es nicht so schnell vergessen. Nach der Schlacht sagte Oberst Beber zu mir, dass er selbst im I. Weltkrieg vor Verdun solche Zerstörungen nicht gesehen habe."

Der italienische Kapitän ersten Ranges Valerio Borghese schrieb in seinem Buch `Die Zehnte Flottille MAS':

„Fort ‘Gorki’ … Nach dem Fall von Sewastopol blieb hier ein kleiner letzter Widerstandsherd der Russen zurück. Erbaut auf hohem, senkrecht abfallendem Ufer, bestand es aus einem System von Trancheen und Stollen, die in den Fels gebrochen waren. Einige davon besassen einen Ausgang zum Meer hin. Unsere Schnell- und Wachboote erhielten den Befehl, an der Eroberung teilzunehmen bzw. die Ausgänge des Forts zu blockieren. Die Schnellboote stachen in See, die Besatzungen mit Maschinenpistolen und Handgranaten bewaffnet. Eine Gruppe von acht kühnen Matrosen drang vom Meer her in die Stollen ein. Der von ihnen erzeugte Lärm, das Schiessen aus Maschinenpistolen und die Explosionen geworfener Handgranaten verwirrte die Verteidiger und täuschte sie über die Zahl der Eindringenden. Das half den Deutschen, die zähe Verteidigung des Gegners zu brechen. Infolge der Teilnahme unserer Matrosen am Sturm wurden in den Stollen des Forts achtzig Kriegsgefangene gemacht."

Bis zum 12. Juli 1942 waren die letzten sich verteidigenden Gruppen der Sowjetarmee am Kap Chersones vernichtet oder gefangengenommen.

Während der Okkupation Sewastopols in den Jahren von 1942 bis 1944 ist es den Deutschen nicht gelungen, die ehemalige Batterie Nr. 35 wieder instandzusetzen: die Zerstörungen waren zu gross. Im Mai 1944, während der Offensive der Sowjettruppen auf Sewastopol, befand sich in den Kasematten der Batterie der Gefechtsstand des Oberbefehlshabers der deutschen 17. Armee, General Allmendinger.

Epilog

Nach Beendigung des Zweiten Weltkrieges, als der Wiederaufbau der Hauptbasis der Schwarzmeerflotte, der Festung Sewastopol, begann, wurde die Wiedererichtung der ehemaligen Batterie Nr. 35 als nicht mehr möglich angesehen. Stattdessen wurden in ihrer Nähe vier Geschütze mit einem Kaliber von 130 mm aufgestellt, die Küstenbatterie Nr. 723. Die Kommandostelle dieser bis Mitte der sechziger Jahre existierenden Batterie befand sich in den unversehrten Kasematten des Turmblocks 2 der früheren Batterie Nr. 35, die in die Geschichte eingegangen ist unter dem Namen, der ihr vom Gegner gegeben wurde: Maxim Gorki II.

Quellenangaben

  1. Borghese, Valerio: Die Zehnte Flottille MAS. Moskau, Ausgabe ausländischer Literatur, 1957
  2. Buchner, Alex: Sewastopol - Der Angriff auf die stärkste Festung der Welt 1942. Friedberg, 1979
  3. Erläuternde Aufzeichnungen zum Album über Verteidigung, Stützpunkte, Luftfahrteinrichtungen und Gebäude in der Zeit des Grossen Vaterländischen Krieges im Verteidigungsbezirk Sewastopol. (Archiv Stognij)
  4. Hillgruber, Andreas: Die Räumung der Krim 1944. Berlin; Frankfurt a.M., 1954
  5. Kriegsbericht des Stabes der Küstenverteidigung der Hauptbasis der Schwarzmeerflotte. Nov. 1941—Juli 1942. (Archiv Stognij)
  6. Leschtschenko, Alexej J.: Erinnerungen. Handschriftliches Manuskript des ehemaligen Kommandeurs der Batterie Nr. 35. (Archiv Stognij)
  7. Morgunow, P.A.: Heldenhaftes Sewastopol. Moskau, Wissenschaft, 1979
  8. Rechenschaftsbericht des Stabes der Schwarzmeerflotte über die Verteidigung von Sewastopol (Nov. 1941-Juli 1942). Teil 1-2. (Archiv Stognij)
  9. Repkow, L.G.: Die Küstenartillerie bei der heldenhaften Verteidigung Sewastopols 1941-1942.
  10. Handschriftliches Manuskript. (Archiv Stognij)
  11. Wanejew, G.I. und D.R.: Die heldenhafte Verteidigung Sewastopols 1941-1942. Moskau, 1969

Übersetzung: Olga Seuwen